Farbe der Forschung 2024 - Videos
Mitschnitt der Vorträge vom 15. und 16. März 2024.
Komplexität wagen, Vielfalt kultivieren
Monokulturen sind eine riesige Landverschwendung
Mischkulturen sind ertragreicher als Monokulturen- das zeigen neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und der Praxis. Denn Mischkulturen, eine große Vielfalt und der Aufbau von gesunden Böden können gegenüber Monokulturen eine deutliche Steigerung des Ertrages und der Widerstandsfähigkeit in landwirtschaftlichen Kulturen ergeben. Sie sind am besten geeignet, die großen Herausforderungen im Umgang mit dem Klimawandel zu bewältigen.
Erster Block: Wissenschaftliche Grundlagen von Mischkulturen - und von Lebensprozessen
Die Bedeutung des Mikrobioms
Mikrobiome, also die Gemeinschaften kleinster, von Auge nicht sichtbarer Lebewesen (wie Bakterien oder Pilzen) sind für die Gesundheit aller Lebewesen von zentraler Bedeutung: Die Gesundheit des Bodens, der Pflanzen, der Tiere und uns Menschen (z.B. Darm-Mikrobiom). Wir alle sind ineinander verwobene Ökosysteme – die Biologin und Pionierin Lynn Margulis verwendete dafür den Begriff Holobiont. Und es zeigt sich: Je vielfältiger die Mikrobiome im Boden, desto robuster die Pflanzen. Eine Pflanze ist so gut wie der Boden, in dem sie wächst.
Das Leben neu denken
In den letzten Jahrzehnten ist so vieles entdeckt worden, was sich mit mechanistischen Denkmodellen nicht erklären lässt. Pflanzen sind keine biologischen Automaten, Ameisen keine Miniroboter. Die Haupteigenschaft von Leben ist: kommunizieren, Informationen austauschen, soziale Beziehungen aufbauen, sich vernetzen. Das wiederum bedingt sich erinnern, lernen, Entscheidungen treffen, mit Absicht handeln und Ziele haben. Das gilt für Ameisen – und auch für Pflanzen. In geeigneten Mischkulturen unterstützen sich Pflanzen und ihre Umgebung auf vielfältigste Art und Weise. Dieses Potenzial ist für eine zukunftsfähige Landwirtschaft absolut zentral. Darum auch schneiden Monokulturen in Bezug auf Resilienz und Ertrag so schlecht ab.
Zweiter Block: Mischkulturen und Vielfalt – der Weg in eine zukunftsfähige - und ertragreiche - Landwirtschaft
Vor diesem Hintergrund diskutierten wir praktische Erfahrungen von Vielfalt- und Mischkulturen in Kassel und China, in Mexiko und Münster, Hessen und Spanien, Bayern und Andra Pradesh, mikro und makro.
Ein besonderes Highlight war die Präsentation von Vijay Kumar Thallam, dem Initiator des Community Managed Natural Farming im indischen Teilstaat Andhra Pradesh. Es ist das wahrscheinlich größte agrarökologische, auf Vielfalt- und Mischkulturen basierende Umstellungsprogramm der Welt, an dem mittlerweile eine Million Bauernfamilien beteiligt sind.
Dritter Block: Digitalisierung und Agrarökologie
Zum Schluss geht es um Erfahrungen mit digitaler Unterstützung agrarökologischer Praktiken auf der einen und Perspektiven digitaler Kontrolle und Aneignung des Lebens auf der anderen Seite. Open Source-Modelle können Teil der Lösung sein, sowie gemeinnützige Träger als Eigentümer der Daten.
Vielfalt und Komplexität auf unseren Höfen - ein Zwiegespräch
Sepp Braun & Haleigh Christ
Der erfahrene Bio-Pionier und Landwirt Sepp Braun aus Freising im Gespräch mit der jungen und begeisternden Gärtnerin Haleigh Christ aus der Gemeinschaft Sonnenwald erzählen über den Sinn von Vielfalt und ihre Erfahrungen in ihren Betrieben.
Deutsche Originalaufnahme
Englische Übersetzung
Warum Mischkulturen ertragreich und resilient sind
Prof. Dr. Christian Schöb
Welche vielfältigen Strategien entwickeln Pflanzen in Mischkulturen und wie unterstützen sie sich? Das untersucht Christian Schöb auf kleinen Quadraten mit jeweils 1, 2 oder 4 verschiedenen Pflanzenarten.
Deutsche Originalaufnahme
Englische Übersetzung
Pflanzen kommunizieren und vernetzen sich - aber wie?
Florianne Koechlin
Pflanzen kommunizieren mit Duftstoffen; sie warnen sich gegenseitig, senden SOS-Signale aus, locken Nützlinge herbei, koordinieren ihr Verhalten. Unter dem Boden vernetzen sich Pilze und Wurzeln zu Mykhorizzanetzen – eine Symbiose, die viele Millionen Jahre alt ist.
Deutsche Originalaufnahme
Englische Übersetzung
Auf Entdeckungstour im Mikrobiom
Prof. Dr. Gabriele Berg
Im Boden ist das größte und vielfältigste Mikrobiom. Dieses verbindet alles Leben: sie verbindet den Boden mit Pflanzen und Tieren. Und Pflanzen wählen ihr Mikrobiom aktiv aus, sie pflegen nützliche Mikroben und halten Pathogene raus. Ein gesundes und vielfältiges Mikrobiom im Boden ist Voraussetzung für gesunde Pflanzen.
Deutsche Originalaufnahme
Englische Übersetzung
Die Bedeutung der seltenen Mikroben-Arten für Gesundheit und Ökologie
Dr. Thomas Hardtmuth
Gerade die seltenen Mikroben, oft noch unerforscht, tragen zu einer hohen Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und zur menschlichen Gesundheit bei. Wäre eine seltene Mikrobenart nicht im Meer vorhanden gewesen, wären die Folgen der Ölkatastrophe von Deepwater Horizon noch viel dramatischer gewesen! Die seltenen Mikroben sind eine Schatztruhe der Diversität. Zudem zeigt Dr. Hardmuth auch die Wechselwirkungen von Psyche, Mikrobiom und Immunsystem auf, die zunehmend in den Blick der Forschung rücken. Das einseitige bio-mechanistische Reduktionsmodell greift dabei immer weniger. Man muss das Leben neu denken.
Deutsche Originalaufnahme
Englische Übersetzung
A scientist before her time: the vision of biology imagined by Lynn Margulis
Prof. Dr. Margaret McFall-Ngai
Lynn Margulis, eine Pionierin der Biologie, erkannte als eine der ersten die zentrale Bedeutung der Mikrobiome. Wir alle seien verschachtelte Ökosysteme, die aufs engste miteinander verwoben sind. Auch die Evolution muss neu gedacht werden: Symbiosen spielen bei fast allen großen Evolutionssprüngen eine wichtige Rolle.
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Deutsche Übersetzung
Courage under small feet: how ant-research changes the way we look at living beings
Dr. Olga Bogatyreva
Ameisen sind keine programmierten Roboter, die von der Ameisenkolonie geleitet werden. Es gibt mutige, faule, innovative Ameisen; dank Kommunikation und Zusammenarbeit finden sie immer neue Strategien, um auf große Veränderungen der Umwelt zu reagieren. Die Forschung an Ameisen ändert, wie wir auf Lebewesen schauen.
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Podium: Das Leben neu denken - Perspektiven für die Landwirtschaft
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Englische Übersetzung
World's largest transformation to diversity agriculture, for people and environment, from India (Andhra Pradesh)
Vija Kumar Thallam
Über eine Million Höfe haben im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh auf ein agrarökologisches Bewirtschaftungssystem umgestellt, das ihnen ohne Pestizide, Kunstdünger und Hybrid- oder Gentechnik-Saatgut bessere und stabilere Erträge, vor allem aber höhere und verlässlichere Einkommen und Selbstversorgung garantiert. Das Anbausystem beruht auf hochproduktiven Mischkulturen von 8 bis 30 Pflanzenarten.
Over one million farms in the Indian state of Andhra Pradesh have switched to an agroecological farming system that guarantees them better and more stable yields, higher and more reliable incomes and self-sufficiency without pesticides, artificial fertilisers and hybrid or genetically modified seeds. The cultivation system is based on highly productive intercropping of 8 to 30 plant species.
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Deutsche Übersetzung
Eröffnung des zweiten Tages
Oliver Willing
Englische Übersetzung
Vielfalt verbessert Erträge und Backqualität: Beispiele aus der Wertschöpfungskette
Prof. Dr. Maria Finckh
Der Biolandbau hat mehr Vielfalt als die industrielle Landwirtschaft, doch er könnte noch viel weiter gehen. Viel mehr Vielfalt: Mischkulturen, Hecken, kleinere Felder, Feldränder, keine brachliegenden Böden – solche Maßnahmen helfen, die Biodiversität zu vervielfachen – und die Erträge zu erhöhen. Maria Finckh berichtete von ihrem Forschungsprojekt, Weizen und Erbsen im gleichen Feld zu kultivieren, für den Teller, nicht den Trog.
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Intercropping can make agriculture more productive and sustainable – examples from China
Dr. Wopke van der Werf
In China haben Streifenkulturen - also z.B. lange Streifen von Weizen neben Sojastreifen und mit Birnbäumen dazwischen - eine lange Tradition und werden auch großflächig angebaut. Zusammen mit chinesischen Forscher*innen hat Van der Werf auch eine große, globale Metastudie veröffentlicht: Im Durchschnitt steigt der Ertrag von Mischkulturen um 10 bis 30 Prozent.
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Milpa - or the Three Sisters - being one of the most successful mixed culture with a history of more than 2000 years
Dr. Patrick Grof-Tizsa
Milpa ist das traditionelle Anbausystem in mesoamerikanischen Agrarsystem: Mais, Bohnen und Kürbis, gemeinhin auch Drei Schwestern-Landwirtschaft bezeichnet. Grof-Tisza untersucht die Wechselwirkungen zwischen den drei Pflanzen und Insekten in dieser Jahrtausende alten Mischkultur.
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Podium: Vielfalt und Mischkulturen, der Schlüssel zum Erfolg?
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Mehr Perlen für die Säue - Warum wir den Haustieren Vielfalt schuldig sind
Dr. Florian Leiber
Das Tier sucht von selbst die Vielfalt. Und wir haben die Verantwortung ihm das zu ermöglichen!
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Eine neue Pflanzenzüchtung
Dr. Carl Vollenweider
Carl Vollenweider zeigt zunächst auf, wie Quantenphysik und Züchtung aus seiner Sicht zusammenhängen: die materielle Welt ist viel viel komplexer als wir denken! Als Züchter will er dazu beitragen, gemeinsam mit den Landwirten die Vielfalt in die Praxis zu bringen. Ein möglicher Weg ist die Populationszüchtung, als wichtige Ergänzung zur Linienzüchtung. Davon ausgehend zeigt Dr. Carl Vollenweider wichtige Faktoren für die Entwicklung einer neuen Pflanzenzüchtung auf, die nicht nur einer sogenannten Hightech-Züchtung hinterher läuft. Dabei gilt es den Blick für die verschiedenen Ebenen der Ökologisierung zu schärfen.
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Vielfalt - Synergie - Resilienz: Welche Vorteile bieten neue Ansätze wie syntropische Agrikultur und Agroforstsysteme?
Prof. Dr. Tillmann Buttschard
Neben den verschiedenen Kulturpflanzen für eine Mischkultur spielt die Agrarbiodiversität neben und im Feld eine bedeutende Rolle. Aber auch die Diversität der Forschungsansätze. Mit „Citizen Science“ können die (bio-)diversen und unterschiedlichen Situationen jeweils vor Ort besonders gut aufgeschlossen und abgebildet werden.
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Podium: Von der Vielfalt zur Komplexität
Deutsche Originalaufnahme
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Workshops
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Von Digital Natives und indigenen Bäuerinnen
Dr. Angelika Hillbeck
Ein Künstler und Programmierer trifft sich mit Bauern, um gemeinsam "Sauti ya wakulima" zu entwickeln, ein auf Mobiltelefonen basierendes audiovisuelles agrarökologisches Netzwerk in Tansania. Tausende von Landwirten nutzen es als Methode zum Wissensaustausch und zur Datenspeicherung. Eine "Ugunduzi"-App wurde dann von 30 Bäuerinnen und Bauern gemeinsam entwickelt und durch eine wissenschaftliche Datenbank ergänzt.
An artist and programming expert meets farmers to jointly create “Sauti ya wakulima”, a mobile phone based audiovisual agroecology network in Tanzania. It has expanded to thousands of famers as a method of knowledge exchange and record keeping. An “Ugunduzi” app was then collectively designed by 30 farmers and complemented by a scientific database.
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How to design a farming robot without a monocultural mindset?
Dr. Lenora Ditzler
Wie und wo lassen sich digitale Techniken (z.B. solar gesteuerte Roboter oder Drohnen) für eine vielfältige Agrarökologie einsetzen und wo gibt es kritische Grenzen für die Digitalisierung?
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Deutsche Übersetzung
Digital control of nature
Jim Thomas
Generative KI-Sprachsysteme beherrschen nicht nur menschliche Sprachen. Sie können auch auf die DNA-Sprache und das gentechnische Design neuer Proteine trainiert werden. Leider können diese "Black Boxes" den Menschen nicht erklären, wie und warum sie ihre Entscheidungen treffen. Vor diesem Hintergrund ist es beunruhigend, dass 5 % des globalen Ackerlandes bereits von einem KI-Beratungssystem von Bayer/Monsanto kontrolliert werden, das Daten industrieller Landwirtschaftsbetriebe sammelt und sie dann technisch berät.
5% of the global farmland is already controlled by an AI advisory system of Bayer/Monsanto collecting data of industrial farms and then technically advising them, without forgetting Bayer’s products, of course. Generative AI language systems are not reduced to human language but can as well be trained on DNA language for genetic engineering and new protein design. However, these “black boxes” cannot explain to humans how they made their decisions.