Foto: Annett Melzer/Jakob Ganten

Junge Menschen ausbilden

23.08.2024

Mit Hingabe und Mut für gute Lebensmittel

Im Mai 2024 erregte eine Meldung von wirGarten (1) Aufsehen in der Gemüsebau-Szene. Für einen Gemüsebau-Betriebe konnte trotz intensiver Suche keine einzige Bewerbung für die Hofnachfolge verbucht werden. Daraufhin hat sich das Team von wirGarten mit dem Bildungsangebot im Gemüsebau auseinandergesetzt und festgestellt, dass im Ausbildungsjahrgang 2023 bundesweit nur 159 Plätze besetzt waren – bei rund 6.000 Gemüsebaubetrieben in Deutschland. Dass das nicht reicht, um alle Betriebe mit Fachkräften zu versorgen, ist eine nachvollziehbare Konsequenz.

Auch in der Landwirtschaft fehlt Nachwuchs. Auf 255.000 landwirtschaftliche Betriebe, davon rund 28.000 Bio-Betriebe (2), wurden im Jahr 2022 6.900 Ausbildungsverträge (3) gezählt. Gleichzeitig geben rund 63 % der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter über 55 Jahre an, bisher keine Nachfolgeregelung zu haben. Dies betrifft rund 110.000 Betriebe (4). Auch hier fehlt es an ausgebildeten Fachkräften, die in den nächsten 10 Jahren Verantwortung in der Landwirtschaft übernehmen können.

Die Gründe für die niedrigen Ausbildungszahlen sind vielfältig, aber einige wichtige Aspekte lassen sich kurz zusammenfassen:

  • Das Höfesterben setzt sich seit vielen Jahren fort. Es gibt immer mehr große Betriebe, die kleineren Höfe weichen dem wirtschaftlichen Druck.
  • Fehlendende gesellschaftliche Anerkennung, finanzielle Unsicherheiten und eine hohe Arbeitsbelastung machen den Beruf Landwirtin/ Landwirt weniger attraktiv.
  • Immer weniger Menschen haben einen echten Bezug zur Landwirtschaft und zur Lebensmittelproduktion.

 

Erste Ausbildung im Ökolandbau

Schon in den 70er Jahren machten sich biologisch-dynamische Betriebe Gedanken um ihren Nachwuchs. Da die staatliche landwirtschaftliche Ausbildung wesentliche Grundgedanken und Aspekte des Ökolandbaus nicht thematisierte, gründeten biologisch-dynamisch wirtschaftende Höfe und Gärtnereien schon im Jahr 1978 die Freie Landbauschule Bodensee. 1983 folgte dann die sogenannte „freie Ausbildung“ in Norddeutschland. Weitere Ausbildungsinitiativen kamen über die Jahre hinzu und seit 2019 koordiniert das Netzwerk Biodynamische Bildung vier Ausbildungsregionen. Zusätzlich gibt es weiterhin das Angebot der Landbauschule Bodensee, seit 2023 sogar einen Meisterkurs.

Obwohl die Biodynamische Ausbildung mit jährlich rund 200-250 Auszubildenden und 250 Ausbildungsbetrieben ein zahlenmäßig eher kleines Angebot schafft, ist sie für den Ökolandbau von großer Bedeutung. Neben den jungen Menschen, die sich für die Landwirtschaft entscheiden, engagieren sich auch zahlreiche Ausbildungsbetriebe in der Bildungsarbeit, über die Betreuung ihrer Auszubildenden hinaus. So ist über die Jahre ein starkes Netzwerk, immer eng an der Praxis orientiert, gewachsen, welches gemeinsam aktuelle Herausforderungen meistert und als kleine und vielfältige Bildungsinitiative viel bewegt.

Aktuell befindet sich z.B. die Ausbildung im Norden in der Anerkennung als Ersatzschule. Nach der dreijährigen Übergangszeit kann die Biodynamische Ausbildung dort mit Unterstützung staatlicher Fördermittel als private Alternative zur staatlichen Berufsschule besucht werden. Bisher wird die Bildungsarbeit fast ausschließlich durch Spenden und Stiftungsmittel ermöglicht.

Umfrage unter den Auszubildenden fällt positiv aus

Im Jahr 2023 stießen Auszubildende der Biodynamischen Ausbildung eine Umfrage (5) unter allen Auszubildenden an, um gemeinsame Herausforderungen zu identifizieren. Es zeigte sich, dass die allermeisten mit dem Arbeits- und Betriebsklima zufrieden sind und ihnen die Arbeit Freude bereitet. Aber auch unbequeme Themen wie lange Arbeitszeiten sowie körperliche und psychische Belastung beschäftigen sie und werden nun gemeinsam mit kritischen Anmerkungen bearbeitet, um die Bedingungen zu verbessern.

Und das ist auch das Besondere an der Biodynamischen Ausbildung: Neben den fachlichen und praktischen Inhalten werden auch Eigeninitiative und Mut zur Veränderung vermittelt - wesentliche Fähigkeiten zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.

 

Junge Auszubildende in der Landwirtschaft laufen auf einem Feldweg entlang.
Praxisseminar der Biodynamischen Ausbildung auf dem Acker. Foto: Annett Melzer

Junge Menschen stehen an einem Anhänger mit Kisten voller frisch geerntetn Zwiebeln
Auszubildende bei der Ernte von frischen Zwiebeln. Foto: Annett Melzer
Hände, die verschiedene Bodenproben halten.
Das Thema Boden spielt in den Seminaren sowie in der Praxis eine große Rolle. Foto: Annett Melzer
Menschen stehen um einen Tisch und schauen sich verkohlte Pflanzen an.
Der Februarkurs an der Landbauschule Dottenfelderhof vermittelt vertiefende Inhalte zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft. In dieser Unterrichtseinheit wurde das Thema Kohlenstoff bearbeitet. Foto: Florian Dürkopp

Seit 2020 unterstützt die Deutsche Postcode Lotterie die Zukunftsstiftung Landwirtschaft beim Ausbau und der Weiterentwicklung der Biodynamischen Ausbildung immer wieder mit großartigen Förderungen. Wir danken für die gute Zusammenarbeit und das Engagement der Deutschen Postcode Lotterie für dieses einzigartige Bildungsangebot im Ökolandbau.

Die Deutsche Postcode Lotterie ist eine Soziallotterie, d. h. es gehen mindestens 30 Prozent aller Loseinnahmen an Projekte aus den Bereichen Chancengleichheit, sozialer Zusammenhalt sowie Natur- und Umweltschutz. So förderte die Postcode Lotterie seit ihrer Gründung 2016 in Deutschland bereits über 5.000 grüne und soziale Projekte mit mehr als 220 Millionen Euro.

Weitere Informationen zur Biodynamischen Ausbildung

Netzwerk Biodynamische Ausbildung

Quellenangaben

1 WirGarten "Gemüsebau: Wie sieht deine Zukunft aus?"

2 Statistisches Bundesamt "Landwirtschaftliche Betriebe insgesamt und Betriebe mit ökologischem Landbau nach Bundesländern"

3 Bildungsserver Agrar "Auszubildende in der Landwirtschaft" im Jahr 2022

4 Deutscher Bauernverband "Situationsbericht 2021/2022"

5 Lebendige Erde 04/2024 "Wie geht es eigentlich den Azubis?"

Auszubildende stehen mit einem Seminarleiter an einem Acker und schauen auf den Boden
Auszubildende bei einem Seminar auf dem Acker. Foto: Annett Melzer

Warum hast du dich für die Biodynamische Ausbildung entschieden?

"Meine Werte, Impulse und Wünsche finden Raum und Resonanz in der Ausbildung und auf biologisch-dynamischen Höfen. Für mich steht im Mittelpunkt der Landwirtschaft der Mensch als Gestalter von Verhältnissen und Bedingungen, als Träger von Impulsen von und in die Zukunft."

Sebastian, Auszubildender im 3. Jahr der Biodynamischen Ausbildung

Gruppenfoto einer Meisterklasse der Landwirtschaft auf dem Acker
Gruppenfoto des Meisterkurses an der Freien Landbauschule Bodensee. Foto: Freie Landbauschule Bodensee e.V.

Weitere Einblicke aus dem Jahr 2021 in die Biodynamische Ausbildung

"Bei der täglichen Arbeit selbst wirksam sein zu können, durch die Seminare auf vielen verschiedenen Höfen unseren Horizont zu erweitern und vor allem: nicht nur auf das Offensichtliche zu schauen, sondern durch genaues Beobachten und Wahrnehmen den „Organismus Landwirtschaft“ als Ganzes zu erkennen. Das sind für uns wesentliche Qualitäten dieser Ausbildung!“ Sophia Derichs (Foto rechts) und Johanna Hübner (drittes und erstes Lehrjahr auf dem Hof Pente/Niedersachsen)
"In der biodynamischen Ausbildung habe ich erlebt, dass die Diversität nicht am Ackerrand aufhört, sondern auf den Höfen mit den unterschiedlichen Menschen fortgeführt werden kann. Das facettenreiche Netzwerk aus unterschiedlichen Menschen und Höfen hat mich am Ende auch davon überzeugt, dem Demeterverband beizutreten.“ Jochen Groß: Biodynamische Ausbildung von 2014 – 2018; Betriebsleiter von StadtLandGemüse (Betrieb mit 28 ha Ackerbau, 2 ha Gemüse, 2,5 ha Streuobstwiese und 15 Schafe in NRW)
"Die biologisch-dynamische Landwirtschaft wächst und es braucht Menschen, die mit Mut und Weitblick auf den Höfen arbeiten wollen. Schon jetzt bilden biodynamische Höfe überdurchschnittlich viel aus. Dieses Engagement ist ein Schatz, den es zu pflegen gilt. So arbeiten wir an der inhaltlichen Weiterentwicklung der Ausbildung und daran, dass alle am Ende einen staatlich anerkannten Abschluss bekommen. Aufbaukurse sollen künftig eine weiterführende Perspektive z. B. zum biodynamischen Meister bieten.“ Jakob Ganten, leitete bis Ende 2023 als Geschäftsführer das Netzwerk Biodynamische Bildung