Junge Menschen ausbilden
Mit Hingabe und Mut für gute Lebensmittel
Im Mai 2024 erregte eine Meldung von wirGarten (1) Aufsehen in der Gemüsebau-Szene. Für einen Gemüsebau-Betriebe konnte trotz intensiver Suche keine einzige Bewerbung für die Hofnachfolge verbucht werden. Daraufhin hat sich das Team von wirGarten mit dem Bildungsangebot im Gemüsebau auseinandergesetzt und festgestellt, dass im Ausbildungsjahrgang 2023 bundesweit nur 159 Plätze besetzt waren – bei rund 6.000 Gemüsebaubetrieben in Deutschland. Dass das nicht reicht, um alle Betriebe mit Fachkräften zu versorgen, ist eine nachvollziehbare Konsequenz.
Auch in der Landwirtschaft fehlt Nachwuchs. Auf 255.000 landwirtschaftliche Betriebe, davon rund 28.000 Bio-Betriebe (2), wurden im Jahr 2022 6.900 Ausbildungsverträge (3) gezählt. Gleichzeitig geben rund 63 % der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter über 55 Jahre an, bisher keine Nachfolgeregelung zu haben. Dies betrifft rund 110.000 Betriebe (4). Auch hier fehlt es an ausgebildeten Fachkräften, die in den nächsten 10 Jahren Verantwortung in der Landwirtschaft übernehmen können.
Die Gründe für die niedrigen Ausbildungszahlen sind vielfältig, aber einige wichtige Aspekte lassen sich kurz zusammenfassen:
- Das Höfesterben setzt sich seit vielen Jahren fort. Es gibt immer mehr große Betriebe, die kleineren Höfe weichen dem wirtschaftlichen Druck.
- Fehlendende gesellschaftliche Anerkennung, finanzielle Unsicherheiten und eine hohe Arbeitsbelastung machen den Beruf Landwirtin/ Landwirt weniger attraktiv.
- Immer weniger Menschen haben einen echten Bezug zur Landwirtschaft und zur Lebensmittelproduktion.
Erste Ausbildung im Ökolandbau
Schon in den 70er Jahren machten sich biologisch-dynamische Betriebe Gedanken um ihren Nachwuchs. Da die staatliche landwirtschaftliche Ausbildung wesentliche Grundgedanken und Aspekte des Ökolandbaus nicht thematisierte, gründeten biologisch-dynamisch wirtschaftende Höfe und Gärtnereien schon im Jahr 1978 die Freie Landbauschule Bodensee. 1983 folgte dann die sogenannte „freie Ausbildung“ in Norddeutschland. Weitere Ausbildungsinitiativen kamen über die Jahre hinzu und seit 2019 koordiniert das Netzwerk Biodynamische Bildung vier Ausbildungsregionen. Zusätzlich gibt es weiterhin das Angebot der Landbauschule Bodensee, seit 2023 sogar einen Meisterkurs.
Obwohl die Biodynamische Ausbildung mit jährlich rund 200-250 Auszubildenden und 250 Ausbildungsbetrieben ein zahlenmäßig eher kleines Angebot schafft, ist sie für den Ökolandbau von großer Bedeutung. Neben den jungen Menschen, die sich für die Landwirtschaft entscheiden, engagieren sich auch zahlreiche Ausbildungsbetriebe in der Bildungsarbeit, über die Betreuung ihrer Auszubildenden hinaus. So ist über die Jahre ein starkes Netzwerk, immer eng an der Praxis orientiert, gewachsen, welches gemeinsam aktuelle Herausforderungen meistert und als kleine und vielfältige Bildungsinitiative viel bewegt.
Aktuell befindet sich z.B. die Ausbildung im Norden in der Anerkennung als Ersatzschule. Nach der dreijährigen Übergangszeit kann die Biodynamische Ausbildung dort mit Unterstützung staatlicher Fördermittel als private Alternative zur staatlichen Berufsschule besucht werden. Bisher wird die Bildungsarbeit fast ausschließlich durch Spenden und Stiftungsmittel ermöglicht.
Umfrage unter den Auszubildenden fällt positiv aus
Im Jahr 2023 stießen Auszubildende der Biodynamischen Ausbildung eine Umfrage (5) unter allen Auszubildenden an, um gemeinsame Herausforderungen zu identifizieren. Es zeigte sich, dass die allermeisten mit dem Arbeits- und Betriebsklima zufrieden sind und ihnen die Arbeit Freude bereitet. Aber auch unbequeme Themen wie lange Arbeitszeiten sowie körperliche und psychische Belastung beschäftigen sie und werden nun gemeinsam mit kritischen Anmerkungen bearbeitet, um die Bedingungen zu verbessern.
Und das ist auch das Besondere an der Biodynamischen Ausbildung: Neben den fachlichen und praktischen Inhalten werden auch Eigeninitiative und Mut zur Veränderung vermittelt - wesentliche Fähigkeiten zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.